Krebs – diese komplexe Erkrankung mit großen Auswirkungen auf das Leben von Betroffenen beginnt im ganz Kleinen. Sie entsteht durch einzelne Körperzellen, die sich unkontrolliert teilen. Aus diesen sich vermehrenden Zellen können bösartige Tumore, also Krebsgeschwülste, entstehen.
Hinsichtlich seiner Entstehung gleicht kein Krebs dem anderen. Die möglichen Ursachen für einen Tumor sind vielfältig. Dabei spielen auch Genmutationen (Genveränderungen) eine wichtige Rolle. Von elementarer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang jene Gene, die den Bauplan für Moleküle enthalten, die an der Reparatur von DNA-Schäden beteiligt sind.
Mutationen in diesen Genen können dazu führen, dass sie ihre Funktion nicht mehr ausführen können. Eine mögliche Folge: Im Erbgut der Zelle häufen sich weitere Mutationen und Schäden an, die schließlich zur Entstehung eines Tumors führen können. Das Erbgut in den Tumorzellen ist also instabiler als in normalen Zellen. Dies bezeichnet man auch als genomische Instabilität.
Das zunehmende Wissen um die Rolle einzelner Gene und Genmutationen bei der Krebsentstehung ist nicht nur von theoretischer Bedeutung: Es eröffnet auch die Möglichkeit, zielgerichtete Therapien einzusetzen. Ob eine solche Behandlung für PatientInnen infrage kommt, kann ein Test auf Genmutationen und ihre Folgen ermitteln.
Tagtäglich kommt es in unseren Zellen zu Tausenden größeren oder kleineren Beschädigungen an den einzelnen Bestandteilen der DNA. Doch nicht jeder Schaden verursacht Genmutationen oder Krebs. Denn gesunde Zellen verfügen über zahlreiche Mechanismen, um Schäden zu reparieren.
Es gibt unterschiedliche Arten von DNA-Schäden und verschiedene spezialisierte Mechanismen, um sie zu reparieren:
Häufige Formen von Schädigungen sind Brüche in einem Strang oder beiden Strängen der DNA, man spricht von Einzelstrangbrüchen oder Doppelstrangbrüchen.
Die Gesamtheit der Mechanismen und Signalwege, die an der Reparatur der unterschiedlichen DNA-Schäden beteiligt ist, wird als DNA Damage Response (DDR) bezeichnet, also als DNA-Schadensantwort. Doppelstrangbrüche gelten als die schwerwiegendsten Schäden. Zu ihrer Reparatur stehen der Zelle mehrere Mechanismen zur Verfügung. Doch nur eine funktioniert fehlerfrei: die homologe Rekombinationsreparatur (HRR).
Die homologe Rekombination ist somit der wichtigste DNA-Reparaturmechanismus der Zelle. Mit ihr kann ein großer Teil der anfallenden Schäden behoben werden. Allerdings gelingt die DNA-Reparatur nicht immer. Werden DNA-Schäden nicht repariert, können anhaltende Veränderungen des Erbguts die Folge sein. Die Krebsentstehung kann dadurch begünstigt werden.
Wenn die Reparatur der Doppelstrangbrüche nicht gelingt, kann dies unterschiedliche Gründe haben. So können beispielsweise die Gene, die für die HRR zuständig sind, selbst von einer bereits bestehenden Genmutation betroffen sein. Zu den HRR-Genen gehören zum Beispiel CHEK2-, RAD51-, ATM- oder die BRCA-Gene. Mutationen in diesen Genen können ererbt sein oder im Laufe des Lebens erworben werden. Veränderungen in diesen oder anderen Genen können dazu führen, dass eine Reparatur von DNA-Schäden mittels homologer Rekombination (HR) nicht möglich ist. Man spricht dann von einer homologen Rekombinationsdefizienz, kurz HRD.
Ist eine Zelle von einer homologen Rekombinationsdefizienz (HRD) betroffen, nutzt sie zur Reparatur der Doppelstrangbrüche andere Mechanismen. Diese sind jedoch fehleranfällig.
Mit der Zeit kann es passieren, dass aufgrund einer HRD vermehrt Genmutationen in einer Zelle auftreten. Es kommt zu einer sogenannten genomischen Instabilität, bei der eine Anhäufung von ursprünglich kleinen DNA-Schäden am Ende sogar die Struktur der Chromosomen verändern kann. Dies ist eine der kennzeichnenden Eigenschaften von Krebszellen.
Während eine Mutation der HRR-Gene somit eine mögliche Ursache der homologen Rekombinationsdefizienz darstellt, ist die genomische Instabilität eine Folge der HRD. Verdeutlichen lässt sich dieser Zusammenhang zum Beispiel am Bild eines Autounfalls:
Verschiedene Tests ermöglichen es, entweder die „Unfallursache“ oder den „entstandenen Schaden“ genauer zu untersuchen und zu identifizieren. Das bedeutet:
Spezielle Tests auf Genmutationen und ihre Folgen können nachweisen, ob beispielsweise eine BRCA-Genmutation (Ursache) oder typische Anzeichen einer HRD (Folge) vorliegen. Je nach Art der Krebserkrankung können die Erkenntnisse in die Therapieplanung mit einfließen und eventuell eine zielgerichtete Therapie der Krebserkrankung ermöglichen.
Eine homologe Rekombinationsdefizienz (HRD) kann unter anderem verursacht werden durch Mutationen in Genen, die an der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) beteiligt sind – BRCA1 und BRCA2 zählen zu den bekanntesten HRR-Genen. Derartige Mutationen können in der Keimbahn auftreten oder somatischen Ursprungs sein.
Eine somatische Mutation
Eine Keimbahnmutation
Auch bei Menschen mit funktionierenden DNA-Reparaturmechanismen kann sich bei wiederholten, sich anhäufenden Schädigungen der DNA eine Krebserkrankung entwickeln. Derartige Schädigungen können durch unterschiedliche Faktoren zustande kommen:
Darüber hinaus kann es auch beim Ablesen des Codes unseres Erbguts zu Fehlern kommen.
So unterschiedlich die Ursachen verschiedener Krebsarten sein können – zehn grundlegende Eigenschaften haben sie alle gemein:
Quellen:
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